
© Honey & Bunny | Ulrike Köb | Daisuke Akita
Home News Gourmet Honey & Bunny: Mehr als nur Essen
Gruß aus der Küche
Kultur
Skandinavien
Das Künstlerduo Honey & Bunny geht dem Erfolgsgeheimnis der skandinavischen Küche auf den Grund – und entdeckt dabei auch das großartige Zusammenspiel zwischen Kochen, Kunst und Wissenschaft.
Sonja Stummerer, Martin Hablesreiter,
19.08.2022
Erinnerungen grenzen manchmal an das Unvorstellbare: Martin bereiste als vierzehnjähriger Schüler den hohen Norden Europas. Doch inmitten der berühmten Landschaften war es beinahe unmöglich, Wirtshäuser zu finden. Wenn es ausnahmsweise gelang, war das Essen eh essbar. Es ist also gar nicht so lange her, dass Skandinavien auf der kulinarischen Landkarte nicht ganz so kräftig punktete. Höhenflüge am Teller, derentwegen heute Foodies aus aller Welt in den hohen Norden pilgern, waren selten. Es gab gebratene Lachsfilets mit Kartoffelpüree, Hering in drei verschiedenen, essigsauren Ausführungen und Krabbenbrötchen. Eh nicht schlecht, aber tendenziell eintönig. Alkohol (für den Vater) war sündhaft teuer und schwer zu bekommen. Okay, beschwingende Getränke sind immer noch ziemlich kostspielig, aber das Essen wurde innerhalb weniger Jahre gewaltig gut.
Regionale Exotik
Na gut, das skandinavische Küchenwunder ist bekannt und rauf und runter gehuldigt, aber es betrifft nicht nur die recht weltberühmten »big names«, sondern auch einfache Lokale ums Eck. Knapp vor der Pandemie flüchteten wir zum Beispiel vor strömendem Regen in einunscheinbares Wirtshaus gegenüber der Kunstakademie in Göteborg. Das servierte Essen war extrem kreativ und richtig gut. Hauptsächlich kam Pflanzliches auf den Tisch und weil das Zeug aus der Umgebung stammte, wurde es gleich exotisch für uns Österreicher. Einige Zutaten kannten wir gar nicht und andere nur vom Hörensagen. Regionalität schmeckte ungewöhnlich, radikal und wirklich gut. Das ist uns vorher nur bei einem gastronomischen Projekt im Mühlviertel passiert. Dabei verkochte der oberösterreichische Koch Georg Friedl an ungewöhnlichen Orten jene Zutaten, die einst im Mühlviertel Verwendung fanden. Er berief sich auf alte Rezepte und suchte tatsächlich auf Wiesen und in Wäldern nach Wildpflanzen, um sie zu verkochen. Das Ergebnis war radikal ungewöhnlich. Damals kamen wir gerade von unserem Arbeitsaufenthalt in Tokio zurück und die japanische Küche kam uns wenigerexotisch vor als die Gerichte, die uns Friedl servierte. Dabei ist Martin imMühlviertel aufgewachsen.

© Honey & Bunny | Ulrike Köb | Daisuke Akita
In der nordischen Küche liegt der Fokus auf richtig guten, regionalen Grundprodukten. Der Fehler, beim Einkauf nur in Landesgrenzen zu denken, wird hier aber kaum begangen.
Mit solchen Ideen käme Regionalität weg von dieser durchgelutschten Marketingmasche, die dem Begriff sonst überall anhaftet. Das ist dann eben nicht der folierte A4-Zettel beim Skiortfrühstücksbuffet, der regionalen Fruchtsalat aus Pinzgauer Ananas und Gailtaler Wintermelone anpreist. Es ist auch nicht dieser widerwärtige Kulinariknationalismus, der Regionalität als kulturellen Grenzschutz missversteht. Ungarn zum Beispiel liegt deutlich näher an Wien dran als Vorarlberg. Bayrische Produkte in Berlin sind etwas weniger regional als polnische. Gelebte Auseinandersetzung mit lokalen, essbaren Produkten hat auch wenig mit jenen betrügerischen Methoden zu tun, die immer wieder durch die Gastronomie geistern. Vor wenigen Wochen erzählte uns beispielsweise ein wohlmeinender und engagierter Salzburger Fleischhauer und Autor, dass Wirte beim ihm wenige Stücke einkaufen, um dann mit seinem Namen und seiner radikalen Regionalität zu werben. Bloß werden bei ihm dann statt der gebrauchten zwanzig Tafelspitz nur zwei gekauft. Der Rest stammt aus dem Großhandel. Betrug ist so alt wie das Essen selbst, aber immer ekelhaft!
Kochen als Wissenschaft
Zurück nach Skandinavien. Den internationalen Erfolg der dortigen kulinarischen Szene einzig auf die Verwendung regionaler Produkte zurückzuführen wäre eine Frechheit, eine Missachtung der kreativen Leistung der nordischen Köche. Diese Leute haben Ideen und sie trauen sich etwas. Sie sind vergleichbar mit richtig guten undkreativen Designern oder Künstlern.
Gestaltung heißt – zumindest für uns – immer Research, Research, Research und dann: »Nichts scheißen«. Das internationale Handwerk, wissenschaftliche Erkenntnisse und kulturelle Entwicklungen zu kennen ist unerlässlich. Es ist kein Zufall, dass Köche wie René Redzepi bei Ferran und Albert Adrià lernten und arbeiteten. In Barcelona und mittlerweile auch im Baskenland suchen kreative Gastronomen seit Jahrzehnten die interdisziplinäre Kooperation mit Wissenschaftlern, Designern und Künstlern, und die Köche dort pfeifen seit Jahren auf Traditionen, Konventionen und Restaurantguides. Sie fürchten weder (gesellschaftlichen) Tod noch (schreibende) Teufel. In Spanien und später in Skandinavien wurde vorgemacht, was später die Kunstszene als »Arts & Science« entdeckte. Kochen als weitgefasste, wissensbasierte Kreativdisziplin war plötzlich die absolute Avantgarde. Hell yeah!

© Honey & Bunny | Ulrike Köb | Daisuke Akita
Kulinarische Grenzgänger
Renommierte Neurowissenschaftler wie der Oxforder Universitätsprofessor Charles Spence bemühten sich plötzlich nicht mehr um eine Reservierung, sondern um Zusammenarbeit. Und genau diesen Arbeitsansatz von Research und Risiko verbanden die Nordköche mit der aufkeimenden Notwendigkeit, sich mit Nachhaltigkeit auseinanderzusetzen. In gewisser Weise nahm die skandinavische Küche sogar Greta vornweg. Das führt auch dazu, dass ein ganzer Landstrich eine neue Attraktion hat. Das Essen repräsentiert immer eine Kultur. Manchmal ist das berühmter und manchmal nicht so. Im Norden hat’s geklappt.
Und unter uns: In Österreich geht auch was weiter momentan. Vom Burgenland biszum Arlberg machen sich verdammt gute, intelligente und radikale Köche Gedanken über die Zukunft des Essens. Das machen sie gut und auch bei uns sollten sichweiters Wissenschaftler, Designer und Künstler schleunigst darum bemühen, mit diesen Leuten zusammenzuarbeiten.
Honey & Bunny
Sonja Stummerer und Martin Hablesreiter studierten Architektur. Während eines Arbeitsaufenthalts in Tokio begannen sie sich für Food-Design zu interessieren, seither gestalten und kuratieren sie Ausstellungen und Filme, realisieren »Eat-Art-Performances« und schreiben bzw. illustrieren Bücher.
Sonja Stummerer
Mehr von Sonja Stummerer
Martin Hablesreiter
Mehr von Martin Hablesreiter
Während einer Reise in die japanische Hauptstadt erlebte »honey & bunny« nicht nur allerlei...
Von Sonja Stummerer, Martin Hablesreiter
Dem Wirtshaus ist das Geheimnisvolle in die gastronomische DNA eingeschrieben. Ein Besuch hier...
Von Sonja Stummerer, Martin Hablesreiter
Manche Gerichte wärmen nicht nur den Körper, sondern heben auch unsere Laune. Falstaff...
Von Julia Heger
Die Weltkarriere des Maises als Nahrungsquelle verlief anfangs ausgesprochen schauderhaft. In...
Von Sonja Stummerer, Martin Hablesreiter
Zuerst kletterte der Mensch in Boote, um dem Wasser Nahrung zu entreißen, später erforschte er...
Von Sonja Stummerer, Martin Hablesreiter
New York ist seit Langem der Nabel der kulinarischen Welt. Derzeit finden hier aber auch einige der...
Von Sonja Stummerer, Martin Hablesreiter
Nahezu jedes Lebensmittel, von dem wir uns ernähren, stammt auf die eine oder andere Weise aus der...
Von Sonja Stummerer, Martin Hablesreiter
In Abwandlung eines alten Spruchs könnte man sagen: Wasser ist nicht alles, aber ohne Wasser ist...
Von Sonja Stummerer, Martin Hablesreiter
Bereits die alten Römer haben den unwiderstehlichen Reiz der Verbindung von kulinarischer...
Von Sonja Stummerer, Martin Hablesreiter
… andere Speisezettel. Was in Südostasien auf den Teller kommt, ist manchen Zeitgenossen...
Von Sonja Stummerer, Martin Hablesreiter
Nahezu acht Jahrhunderte lang regierten arabische Eroberer die südlichste Provinz Spaniens. Unter...
Von Sonja Stummerer, Martin Hablesreiter
Kein Tier ist den Primaten ähnlicher als das Schwein. Trotzdem – oder genau deshalb? – essen...
Von Sonja Stummerer, Martin Hablesreiter
Die Besten
Dry Gin: die Besten aller Zeiten Pinot Noir: Die besten Weine 2014 aus Deutschland Riesling: Die besten Weine 2019 aus der Region Niederösterreich Riesling: Die besten Weine 2013 aus Deutschland Die besten Heurigen in Österreich
Die besten Weine 2015 aus Sizilien zum Preis 10 - 20 € Die besten Weine 2010 aus Südsteiermark zum Preis 20 - 50 € Trebbiano: Die besten Weine aus der Region Toskana Grüner Veltliner: Die besten Weine 2010 aus der Region Niederösterreich Rotwein: die Besten des Jahrgangs 1992
Die besten Restaurants mit 2 Falstaff-Gabel(n) in der Schweiz Die besten Restaurants in Meran "Gastgarten/Terrasse" Restaurants in Istrien Die Besten aus »Falstaff Internationaler Restaurantguide 2023« in Hvar
Hunde willkommen Cafés in Bregenz "Sonntags geöffnet" Bars in Attikí "Kalte Speisen" Bars in Wien Die besten Cafés in Lisboa